Die zunehmende hybride Bedrohung Europas durch Russland zwingt auch Deutschland dazu, die Krisenvorsorge und Verteidigungsplanungen zu intensivieren und zu konkretisieren. Zunehmend deutlicher zeichnet sich ab, welche Auswirkungen dies bereits heute auf Unternehmen hat. Vor allem aber wird immer klarer, welche Herausforderungen auf Unternehmen im Fall der Bündnis- oder Landesverteidigung zukommen.
Die aktuelle Lage
Russland verstärkt seit Jahren sukzessive seine Maßnahmen der hybriden Kriegsführung gegen den Westen. Standen bis 2022 Desinformationskampagnen und Cyberangriffe im Vordergrund, so nehmen seit dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine auch Ausspähungen, Attentate und Sabotage stetig zu. Eine Auswahl von Beispielen hierzu:
- Regelmäßige Drohnenüberflüge über Bundeswehreinrichtungen und kritische Infrastruktur , z.B. Chemiepark Brunsbüttel (Tanklager, Chemieunternehmen, Gas-Terminal)
- Spionage im Bundesamt für Beschaffung, Ausrüstung Nutzung und Infrastruktur der Bundeswehr
- Vermehrter Einsatz von Spionageschiffen und U-Booten mit Sabotage-Fähigkeiten entlang der Trassen von Unterseekabeln, Pipelines und Stromleitungen sowie in Windparks in Ost- und Nordsee sowie im Nordatlantik,
- Versuchtes Attentat auf Armin Papperger, CEO Rheinmetall
- Anschlagsversuche auf Frachtflugzeuge mit Brandsätzen in Leipzig
- Positionierung eines mit Sprengstoff (Ammoniumnitrat) beladenen russischen Frachters vor norwegischem Hafen
- Gefährdung von Flug- und Schiffsverkehr durch fortlaufende Störung der GPS-Signale im Ostseeraum
- Sabotage der Steuerungstechnik der Deutschen Bahn AG
- Zerstörung zweier Glasfaserkabel in der Ostsee
- Aktive Schleusung von Flüchtlingen über die russisch-finnische und belarussisch-polnische Grenze
Deutschland und andere westliche Staaten reagieren mittlerweile systematisch auf die sich verschärfende Bedrohungslage. Die entsprechenden zivilen und militärischen Planungen hierzulande sind in der „Konzeption Zivilverteidigung“, der „Rahmenrichtlinie Gesamtverteidigung“ und dem „Operationsplan Deutschland (OPLAN)“ von zusammengefasst. In diesen – teils offen zugänglichen, teils geheimen – Dokumenten, ist beschrieben, wie sich staatliche Stellen (öffentliche Verwaltung, Polizei, Bundeswehr, Feuerwehren, THW und Rettungsdienstorganisationen) vorzubereiten und im Krisen- oder Kriegsfall zu handeln haben. Es ist aber auch beschrieben, in welchem Umfang im Rahmen der Sicherstellungs- und Leistungsgesetze auf Leistungen von Unternehmen und Privatpersonen zugegriffen werden wird, bzw. welche staatlichen Vorgaben und Eingriffe möglich und vorgesehen sind.
Lagebeurteilung
Russland hat mittlerweile komplett auf Kriegswirtschaft umgestellt und treibt die eigene Aufrüstung quantitativ wie qualitativ voran. Parallel dazu laufen verdeckte und offene Aktivitäten hybrider Aggression in Vorbereitung eines möglichen Krieges gegen die NATO. Sicherheitskreise gehen in ihren Analysen davon aus, dass sich Russland bis zum Ende des Jahrzehnts in die Lage versetzen will, militärisch weiter nach Westen auszugreifen. Durch die unklare Haltung der Trump-Administration in den USA ist die Gefahr eines tatsächlichen russischen Angriffs in Europa, z.B. auf einen der baltischen Staaten, beträchtlich gestiegen. Ein solcher Angriff würde unweigerlich den NATO-Bündnisfall auslösen. In diesem Fall wäre Deutschland zwar nicht Frontstaat wie im kalten Krieg, aber aufgrund seiner Bündnisverpflichtungen Kriegspartei und aufgrund seiner geographischen Lage die entscheidende logistische Drehscheibe für Aufmarsch und Versorgung der NATO-Streitkräfte. Es bleiben also für alle Akteure hierzulande – Staat, Wirtschaft, Gesellschaft – 4 bis 5 Jahre, um sich auf diese Situation vorzubereiten. Angesichts der vielfältigen und komplexen Aufgaben, die es zu bewältigen gilt, ist dies ein extrem kurzer Zeitraum. Es gilt also, mit kühlem Kopf zu analysieren und dann rasch und entschlossen zu handeln.
Dies sind die Herausforderungen, die im Falle der Fälle von Unternehmen zu bewältigen sein werden:
- Belastung der (Verkehrs-)Infrastruktur
- Arbeitskräftemangel
- Cyberattacken und Sabotage
- Anschläge und Luftangriffe
- Staatliche Eingriffe in das wirtschaftliche Handeln
Folgerungen
Es gibt also dringenden Anlass, geeignete Vorkehrungen für das eigene Unternehmen zu identifizieren und auf den Weg zu bringen. Hier einige Gedanken und Anregungen:
- Wenn hunderttausende NATO-Soldaten mit Fahrzeugen, Ausrüstung und Nachschub durch Deutschland hindurch transportiert werden, werden Straßen- und Bahnverkehr für zivile Leistungen nur eingeschränkt verfügbar sein. Hinzu kommt, dass 70% der LKW-Fahrer in Deutschland aus osteuropäischen Ländern stammen. Viele von ihnen werden im Ernstfall dann in ihren Heimatländern sein wollen oder müssen.
- Machen Sie sich also Gedanken über eine angemessene Bevorratung kritischer Vorprodukte.
- Wie sichern Sie die Verfügbarkeit von Transportleistungen? Ist es für Sie ratsam, über eigene Mitarbeiter mit LKW-Führerscheinen zu verfügen?
- Nicht nur LKW-Fahrer werden knapp werden. Durch Einberufungen zum Wehr-, Sanitäts- oder Zivilschutzdienst werden bis zu 5% der Belegschaften zeitweise oder dauerhaft abwesend sein. Das wird nicht nur diejenigen betreffen, die in den entsprechenden Organisationen engagiert sind, sondern potentiell alle Männer unter 65 und alle Frauen unter 55.
- Schulungen, die es Mitarbeitern ermöglichen, sich gegenseitig zu vertreten sind dann Gold wert.
- Identifizieren Sie vor allem wichtige Aufgaben, die heute nur ein einziger Mitarbeiter beherrscht und sorgen Sie hier für ausreichend Backup.
- Cyber-Attacken, Sabotage und physische Angriffe werden eine permanente Bedrohung für alle Unternehmen und für die Verkehrs-, Kommunikations- und Energie-Infrastruktur darstellen. Viele sinnvolle Maßnahmen zur Reduzierung der Auswirkungen solcher Ereignisse sind auch im normalen betrieblichen Alltag hilfreich:
- Aktualisieren Sie Ihre Notfallpläne zur betrieblichen Gefahrenabwehr.
- Intensivieren Sie die Aus- und Weiterbildung Ihrer Mitarbeiter in IT-Sicherheit, Erster Hilfe und Brandschutz.
- Wo immer sinnvoll möglich, verteilen Sie kritische Anlagen und Prozesse auf mehrere Standorte.
- Prüfen Sie Möglichkeiten der autarken Energieversorgung für kritische Einrichtungen und Prozesse (z.B. PV-Anlagen mit Batteriepuffer, Notstrom-Generatoren).
- Schaffen Sie physische Redundanzen bei Internet-Zugängen, Strom-Anschlüssen und anderen kritischen Versorgungsleitungen.
- Nicht nur in Deutschland sondern auch in den meisten anderen europäischen Ländern gibt es für den Verteidigungsfall weit reichende staatliche Eingriffsmöglichkeiten in das Handeln von Unternehmen und in den Arbeitsmarkt. Dies beinhaltet u.a. die Rationierung von Waren, die Zuweisung von Arbeitskräften oder die Anordnung der Produktion bestimmter Produkte. Auch diese Maßnahmen, wie alle vorher genannten Punkte, werden zu einer erheblichen direkten oder indirekten Beeinträchtigung der betrieblichen Abläufe und der Lieferketten führen. Konkrete Vorbereitungen sind mangels Kenntnis der zu erwartenden Maßnahmen kaum möglich. Flexibilisierung der eigenen Mitarbeiter, die Schaffung von Redundanzen (intern wie extern) und die Diversifizierung von Lieferketten sind aber zielführende Ansätze zur Abmilderung der Auswirkungen, die zugleich die Resilienz von Unternehmen auch außerhalb eines kriegerischen Konfliktes deutlich erhöhen.
Zusammenfassung
Krieg ist ein „low probability – high impact“ Szenario. Allerdings ist durch die aggressive Politik des russischen Regimes die Eintrittswahrscheinlichkeit deutlich gestiegen, der Zeithorizont bis zu einem möglichen Eintritt hat sich auf ca. 5 Jahre verkürzt. Unternehmen können durch geeignete Maßnahmen ihre Resilienz gegenüber den zu erwartenden Auswirkungen deutlich erhöhen. Die Vorlaufzeiten für die Planung und Umsetzung solcher Maßnahmen sind allerdings teilweise erheblich. Umso wichtiger ist es, jetzt aktiv zu werden.
Welche Maßnahmen sind für Ihr Unternehmen sinnvoll, welche bereiten Sie heute schon vor oder haben Sie bereits initiiert?
Wenn Sie auf diese Fragen konkrete Antworten haben, sind Sie gut aufgestellt. Andernfalls sollten Sie zügig handeln. Professionelle Unterstützung hilft Ihnen dabei, schnell und zielgerichtet angemessene Maßnahmen zu treffen.