Jenseits aller Empörung über den menschenverachtenden Terrorangriff der Hamas vom 07. Oktober und unabhängig von allen Fragezeichen bezüglich des israelischen Vorgehens, stellt sich für Unternehmen zusätzlich die Frage, welche Auswirkungen diese weitere weltpolitische Krise auf wirtschaftlicher Ebene hat und welche möglichen Weiterungen zu bedenken sind.
Die Folgen für Unternehmen in Europa.
Zunächst einmal gilt es zu betrachten, welche Rolle Israel und der Nahe Osten insgesamt für die Weltwirtschaft spielen. Offensichtlich ist hierbei zunächst einmal die bedeutende Funktion der Staaten am Persischen Golf als Energielieferant. Insbesondere in Folge des weitgehenden Ausfalls russischer Öl- und Gas- Lieferungen, zumindest für Europa, hat diese Bedeutung in den vergangenen zwei Jahren weiter zugenommen. Israel hingegen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem der bedeutendsten Hubs der High-Tech und Start-Up Szene entwickelt. Eine Vielzahl US-amerikanischer und europäischer Technologie-Unternehmen unterhält eigene Forschungs- und Entwicklungszentren oder zumindest enge geschäftliche Beziehungen zu israelischen Firmen. In vielen Hightech-Industrien haben Unternehmen und Standorte in Israel mittlerweile eine Schlüsselrolle in den globalen Liefernetzwerken, so in der Halbleiter-Industrie, der Medizin- und Biotechnologie und auch im Rüstungssektor (siehe z.B. die European Sky Shield Initiative).
Die offensichtlichen Folgen für die israelische Wirtschaft wie weitestgehende Einschränkung der Reisetätigkeit, Ausreisen von ExPats aus Israel, Behinderung der Geschäftstätigkeit durch Raketenangriffe oder Beschädigungen von Betriebsgebäuden sind noch am ehesten verkraftbar. Viel gravierender wird sich bald der eklatante Arbeitskräftemangel durch die Einberufung von 300.000 Reservisten (das entspräche in Deutschland 2,7 Millionen Menschen!) und die Ausreise von Vertragsarbeitern (zuletzt allein 30.000 thailändische Arbeitskräfte) auswirken. Geschäftspartner israelischer Unternehmen sind gut beraten, Maßnahmen zu treffen, um auf verzögerte oder stockende Lieferungen oder Projekte reagieren zu können.
Eskalations-Szenarien
Wesentlich kritischer wird sich die Lage entwickeln, wenn es zu einer weiteren Eskalation des Konfliktes kommt. Unternehmensverantwortliche sollten sich auf zwei weitere aktuell denkbare Szenarien vorbereiten:
- Die Eröffnung einer zweiten Front gegen Israel durch die Hisbollah. Diese ebenfalls iranisch finanzierte und gesteuerte Terrororganisation verfügt im Libanon und in Syrien über Operationsbasen, die gegenüber Israel ein wesentlich größeres Schadenspotential zum Einsatz bringen können, als dies der Hamas möglich war. In einem solchen Szenario potenzieren sich die oben beschriebenen Effekte auf die israelische Wirtschaft, im Extremfall bis zu einem weitestgehenden Ausfall aller Exportaktivitäten.
- Die Eskalation hin zu einer direkten Konfrontation zwischen Israel und Iran. In diesem Szenario ist ein aktiver militärischer Eintritt der USA und anderer westlicher Staaten in den Konflikt zu erwarten. Dies wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zu kriegerischen Handlungen in der Golf-Region führen. Damit werden drastische Auswirkungen auf Versorgungssicherheit und Preise für Öl und Gas verbunden sein.
Schlussfolgerungen
Es gibt also ausreichend Anlass zur Sorge, vor allem aber gibt es dringenden Anlass zu proaktivem Handeln. Ist Ihr Unternehmen darauf eingestellt? Kennen Sie die Auswirkungen der oben beschrieben Szenarien auf Ihre Lieferketten, auf Ihre Kostenstruktur? Welche Handlungsoptionen bereiten Sie heute schon vor oder haben Sie bereits initiiert? Wenn Sie auf alle diese Fragen konkrete Antworten haben, sind Sie gut aufgestellt. Andernfalls sollten Sie zügig handeln, ggf. mit professioneller Unterstützung. Sprechen Sie mich dazu gerne an.